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Kritiken zum Film:

Tod einer Brieftaube



2012-04-16: Focus online

die Redaktion:
Im Norden gehen die Uhren anders. Man könnte auch sagen: langsamer. Im fiktiven Dörfchen Aschbach fällt ab und an eine Brieftaube vom Himmel, dann spaziert ein Hund mit Sichtschutz über die menschenleere Straße. Privatdetektiv Finn Zehender (Hinnerk Schönemann) hat sich auf einem alten Gehöft eingerichtet.
Erst als der Sohn des Fabrikanten Döbbelin entführt wird, kommt etwas Leben ins beschauliche Kaff. Mit „Tod einer Brieftaube“, der an diesem Montag um 20.15 Uhr im ZDF läuft, legen Regisseur Markus Imboden und Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt nach „Mörder auf Amrum“ und „Mörderisches Wespennest“ bereits den dritten, reichlich skurrilen Dorfkrimi mit Schauspieler Hinnerk Schönemann als Ermittler vor. Der 1974 in Rostock geborene Norddeutsche beherrscht die Gratwanderung zwischen Ernst und Komik mittlerweile perfekt. Die Rolle des wortkargen, menschenscheuen, aber nie zynischen Detektivs mit eher unauffälliger Intelligenz ist ihm auf den Leib geschrieben.
Zusammen mit seinem Assistenten Mühlfellner (Thomas Thieme), der sich noch von einem Kopfschuss erholt und Erinnerungslücken so groß wie Scheunentore beklagt, macht sich Zehender auf die Suche nach dem entführten Fabrikantensohn Lars, schön wehleidig gespielt von Sebastian Rudolph, Ensemblemitglied des Hamburger Thalia Theaters. Als die dilettantisch eingefädelte Geldübergabe scheitert, kommt die Hamburger Hauptkommissarin Christiane Garde (Karoline Eichhorn) dem schrägen Duo zur Hilfe. Aber die unterkühlte Hanseatin dreht ihr ganz eigenes Ding, zusammen mit dem zwielichtigen Ganoven Karl-Heinz-Turn (Jan-Gregor Kremp).
Der gut besetzte Krimi glänzt weniger mit einem originellen Plot als vielmehr mit lakonischer Situationskomik und Wortwitz. Als der Gerichtsvollzieher Zehenders Hof pfänden will, heißt es knapp: „Haben sie gar kein Herz?“. Antwort: „Ich bin Jurist“. Nicht jeder Gag zündet, manche Pointe ist so flach wie das Land hinterm Deich, aber 90 unterhaltsame Minuten Krimiunterhaltung bietet der Film auf jeden Fall. Drehbuchautor Schmidt plant laut ZDF-Presseheft bereits einen weiteren Dorfkrimi mit Hinnerk Schönemann und einen Neo-Western im Stil von „Mörder auf Amrum“.

2012-April: prisma

die Redaktion:
Ein neuer Fall für Privatdetektiv Finn Zehender: In Aschenberg erschießt Dorfpolizist Müllfellner, der seit seiner Schussverletzung unter Gedächtnisverlust leidet, zufällig eine Brieftaube. Dadurch geraten Zehender und Müllfellner in einen Entführungsfall, der eigentlich Sache des BKA ist. Müllfellner erklärt sich bereit, die Lösegeld-Übergabe zu übernehmen. Als diese scheitert, wird er selbst zur zweiten Geisel. Fabrikant Döbblin beauftragt aus Misstrauen gegenüber der Polizei den Privatdetektiv: Zehender soll sich der Sache annehmen und Geld und Geisel zurückbringen. Doch dann wird es für ihn gefährlich - denn die ermittelnde Kommissarin steckt mit den Entführern unter einer Decke ...
Markus Imboden drehte nach "Mörderisches Wespennest" auch den zweiten Dorfkrimi um den Privatdetektiv Finn Zehender nach der Drehbuchvorlage von Holger Karsten Schmidt. Die Charaktere wirken nicht glatt gebügelt, sondern bestechen durch ihre eigentümlichen, eckigen Wesenszüge - allen voran Hauptdarsteller Hinnerk Schönemann. Eine eher ungewöhnliche Geschichte, in der es weniger um ein Abbild der Wirklichkeit geht, als um gute Gags und viele Skurrilitäten. 2012 folgte mit "Mörderische Jagd" ein weiterer gelungener Zehender-Krimi.

2012-04-16: Frankfurter Allgemeine

von Heike Hupertz:
Seit einiger Zeit haben sich die sogenannten Schmunzelkrimis (ein hässliches Wort) im Vorabend- und Hauptabendprogramm geradezu schwarmhaft vermehrt. Kommissare und andere Ermittler sind in diesen nicht nur für die Lösung eines Falls, sondern vor allem für Pointen zuständig. Nicht selten sind diese Stücke auf dem Land angesiedelt. In der Vorstellung der fernsehmachenden Allgemeinheit birgt die Provinz (vom „Tatort“ sehen wir dabei geflissentlich ab) offenbar vor allem komisches Potential. Die Zeiten ruraler Düsternis sind jedenfalls einstweilen vorbei. Und so ist der Dorfkrimi im Fernsehen zum eigentlichen Heimatfilm geworden. Die Provinz lässt sich eben trefflich schildern. Und nach der Erfindung eines Genres folgt so sicher wie das Amen in der Kirche seine Dekonstruktion.
Der Regisseur Markus Imboden und der Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt – beide erfahren und ausgewiesen in sämtlichen Genres –, legen mit „Tod einer Brieftaube“ nun schon den dritten postkonventionellen Dorfkrimi aus dem Norden vor. Das erste Stück, „Tod auf Amrum“, wurde mit Preisen bedacht. Im zweiten, „Mörderisches Wespennest“, trat der intellektuell nicht eben brillant ausgestattete Privatdetektiv Finn Zehender (die Begriffsstutzigkeit in Person spielend: Hinnerk Schönemann) im Dorf Aschberg auf den Plan.
Nichts für ernste Gemüter
Mit „Tod einer Brieftaube“ kehrt er zurück. In Aschberg hat er sich einen Hof gekauft, ohne zu ahnen, dass dieser mit einer hohen Hypothek belastet ist. Geld muss her, mahnt der nassforsche Berater der Ackermann-Bank. Sonst findet in zweiundsiebzig Stunden die Zwangsversteigerung statt. Erschwert wird die Geldbeschaffung auf legalem Weg durch das Auftauchen des ehemaligen Polizisten Mühlfellner (in dieser Rolle IQ-mäßig noch weniger gesegnet: Thomas Thieme), Zehenders Gegenspieler, der nach einem Streifschuss unter Amnesie leidet und sich nun für den „best buddy“ des Privatdetektivs hält.
Dummerweise schießt Mühlfellner eine Brieftaube vom Himmel, die die Botschaft eines Entführungsopfers am Bein trägt. Beide „Ermittler“ stolpern sodann in einen seltsamen Fall mit hanebüchenen Bösewichten, obligatorischer Beteiligung des Landeskriminalamts und einem Taubenzüchter, der seine Tiere nach „Harry-Potter“-Figuren nennt. Zehender schließt einen Handel mit dem Vater des Entführten ab – die Erfolgsprämie würde seinen Hof retten. Bis es so weit kommt, überfällt er eine Bank, lässt das Entführungsopfer unter Einsatz des „Coffee-Boarding“ verhören und von einem Weihnachtsmann zusammenschlagen, stellt die Täter fast und betreibt quasi klassische Verfolgungsjagden mit seltsamem Ausgang.
Mit großer Lust auch am sinnfreien Blödeln benutzen Imboden und Schmidt Genre-Versatzstücke, sattsam bekannte Motive und leicht verrückte Dialoge des konventionellen Krimis. Das kann man durchaus herrlich skurril und hintersinnig finden – oder eben quatschdämlich. Nicht jeder Gag zündet so trocken, wie er gedacht ist; manchmal galoppiert die reine Albernheit davon. Auch das ist beabsichtigt. Man muss hier nicht unbedingt das Vorbild der Coen-Brüder bemühen. Hinnerk Schönemann, Thomas Thieme und dem Ensemble mit Daniela Schulz, Katja Danowski, Karoline Eichhorn und Jan-Gregor Kremp bei der Nichterfindung des tiefen Tellers zuzuschauen, macht jedenfalls Laune. Es kann bei ernsthafteren Krimiliebhabern auf der Suche nach dem Anspruch aber auch schwer behandelbare Pein verursachen.

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