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Kritiken zum Film:

ZURÜCK ANS MEER



2021-08-26: tittelbach.tv

von Martina Kalweit:
Mutter und Tochter leben mit den Folgen eines vergangenen Verbrechens. „Zurück ans Meer“ (ZDF / aspekt medienproduktion) protokolliert ihren letzten Versuch, frei zu sein. Unter der Regie von Markus Imboden nach dem Buch von Fabian Thaesler spielen Hannelore und Nina Hoger viele Facetten von Wut & Trauer durch. Die Mutter macht Jagd auf den vermeintlichen Entführer und belastet damit das Verhältnis zur Tochter schwer. Doch Hilfe kommt auch von unerwarteter Seite. Stimmiges Schauspieler-Drama, das nicht zu tief taucht, aber bewegt.

Entführung verjährt. Vor 22 Jahren wurde Mara Breuer (Nina Hoger) von einem Unbekannten gekidnappt und tagelang festgehalten. Nach Zahlung eines Lösegeldes kam sie frei. Seit diesem Tag ist Mara in ihrem Trauma gefangen. Sie kann sich an nichts erinnern und findet keinen Zugang mehr zur Welt. Ganz anders ihre Mutter: Seit zwei Jahrzehnten kämpft Charlotte Breuer (Hannelore Hoger) verbissen um Hilfe für ihre Tochter. Voller Hoffnung begleitet sie Mara nun zur Therapie an die Ostsee. Dort begegnet Charlotte einem Mann, dessen Stimme sie zu kennen glaubt. Wut und Schmerz über die ungesühnte und nach 20 Jahren verjährte Entführung ihrer Tochter brechen sich Bahn. Charlotte folgt dem dänischen Industriellen Kjell Mortensen (Jens Albinus) nach Kopenhagen. Mit Hilfe eines Anwalts (Morten Sasse Suurballe) will sie ihn vor Gericht bringen. Sie verkennt dabei allerdings, wie sehr sie die labile Mara mit diesem Alleingang in Gefahr bringt.
Getragene Musik und eine Fahrt über herbstliche Landstraßen. Die schweigsame Reise von Mutter und Tochter führt in ein gepflegtes Sanatorium. „Auch ihnen stünde eine begleitende Therapie zu“, rät Dr. Sahling (Christina Große) der um Fassung ringenden Charlotte. Die Bilder gleichen sich. Egal, ob mit Mutter oder Tochter im Gespräch: Christina Große trägt pastellfarben, jede ihrer Bewegungen als Therapeutin wirkt geschmeidig. Mara und Charlotte Breuer dagegen sind meist dunkel verpackt, ziehen die Schultern hoch, verschränken die Arme, ballen die Fäuste. Unwillkürlich fragt man sich, wer von beiden beschädigter ist.
Bei dieser Frage ist der Zuschauer von „Zurück ans Meer“ in guten Händen: Seit ihrem TV-Drama „Ins Leben zurück“ (2003, mit Martina Gedeck) beweisen Regisseur Markus Imboden und Drehbuchautor Fabian Thaesler (seit der ersten Folge bei „Bella Block“ als Autor dabei) immer wieder ihr Händchen für verwundete Seelen. Dank Thaeslers Drehbuch erschöpft sich die Therapie nicht nur in Dialogen. Nina Hoger ringt nach Luft, fällt und zittert, um einen Panzer abzuschütteln. Ihrem konzentrierten Weg nach innen steht das Um-sich-schlagen von Charlotte Breuer gegenüber. Hannelore Hoger spielt die widerständige Alte wie es ihr steht: starrsinnig, stur, störrisch. Auf ihrer Jagd nach dem vermeintlichen Entführer übertritt sie eine Grenze nach der anderen. Hinter der Frage, ob ihr Verdacht berechtigt ist, beginnt sich etwas im Verhältnis von Mutter und Tochter zu verschieben. Nach dem zweiten Einbruch in das Privathaus des Milliardärs Mortensen, ein imposanter Kubus aus Sichtbeton und Glas, verengen sich die Räume um Charlotte Breuer. Hannelore Hoger sitzt in dunklen Verhör-Zimmern, sogar die Gefängniszelle droht. Zum gleichen Zeitpunkt, etwa zur Mitte des Films, folgt die Kamera Nina Hoger zum ersten Mal in das Licht eines sonnigen Spätsommertags.
Der Kampf um die Rückkehr ins Leben entwickelt sich mehr und mehr zu einem von Tochter gegen Mutter. Aber kurz vor der Bleischwere naht Rettung. Sie kommt in Gestalt zweier großer Dänen daher. Jens Albinus überzeugt mit kleinsten Gesten in der Rolle des scheinbar unangreifbaren Mortensen. Sein Kollege Morten Sasse Suurballe verleiht dem schlaksigen Anwalt Christian Johansen eine feinsinnig-ironische Art, die ihn im Lauf des Films immer präsenter werden lässt. Der Zuschauer kennt Albinus und Suurballe aus dänischen Krimiserien („Der Adler-Die Spur des Verbrechens“, „Kommissarin Lund“, „Die Brücke“). Und er liebt Hannelore Hoger, deren Trotz gegenüber großen Männern bisher immer unterhalten hat. Eine stimmige Konstellation für den Montag im ZDF.

Dieser Artikel stammt von http://www.tittelbach.tv/programm/fernsehfilm/artikel-5878.html

2021-10-01: swyrl.tv

von Elisa Eberle:
Eine Entführung vor 22 Jahren ist der Ausgangspunkt des ZDF-Dramas "Zurück ans Meer" mit Nina und Hannelore Hoger. In dem 90-Minüter steht das Mutter-Tochter-Gespann erstmals seit über zehn Jahren wieder vor einer Kamera. Dabei beweisen beide ihr unvergleichliches Talent für tief berührende Rollen.
Es waren mehr als warme Worte, die Nina Hoger kürzlich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau für Hannelore Hoger fand: "Sie ist eine der größten Schauspielerinnen, die wir in unserem Land haben", schwärmte die 60-Jährige über ihre 20 Jahre ältere Mutter. Das Gespräch fand vor dem Hintergrund der Psychodramas "Zurück ans Meer" statt. Erstmals seit "Vier Meerjungfrauen - Eine stürmische Bescherung" (2007) standen die Hogers dabei wieder gemeinsam vor der Kamera. Wenige Wochen nach dem Festival des deutschen Films in Ludwigshafen zeigt das ZDF den bewegenden Film erstmals im Free-TV.
"Zurück ans Meer" erzählt von einer Entführung, die mehr als 20 Jahre zurückliegt. Das Opfer, Mara Breuer (Nina Hoger), leidet seither unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ihre Mutter Charlotte (Hannelore Hoger) macht sich nach unzähligen fehlgeschlagenen Therapieversuchen große Sorgen: "Ich wünsche mir, dass es nochmal aufhört", sagt sie. "Heilung - es kann unmöglich so weitergehen." Ihre letzte Hoffnung ist eine Klinik an der Ostsee. Hier soll Mara mithilfe von Dr. Sahling (Christina Große) endlich ihren Frieden finden.

Verzweifelte Mutter, schockierte Tochter
Doch das zarte Pflänzchen Hoffnung droht, einzugehen, als Charlotte an der Promenade auf den dänischen Unternehmer Kjell Mortensen (Jens Albinus) trifft. "Ich kenne Ihre Stimme", ruft sie. War er es nicht, der vor 22 Jahren 300.000 Mark für das Leben ihrer Tochter forderte? Leider hat sie keine Beweise und ohne diese, so erklärt der Pflichtverteidiger Johansen (Morten Sasse Suurballe), gebe es nun mal auch keinen Prozess.
Die verzweifelte Mutter will jedoch nicht aufgeben: Während ihre Tochter sich in der Klinik langsam aber sicher öffnet und ihre Erinnerungen an die Straftat Stück für Stück zurückkehren, unternimmt Charlotte alles in ihrer Macht Stehende, um Mortensen doch noch als Täter zu überführen. Dabei übertritt sie - zu Maras Entsetzen - die Grenzen des geltenden Rechts.

Intensives Schauspiel
"Zurück ans Meer" ist ein bewegendes Drama, das vom intensiven Schauspiel der großartigen Hauptdarstellerinnen Hannelore und Nina Hoger lebt. Es sind vor allem die ruhigen, dialoglosen Szenen, die das Publikum unweigerlich in ihren Bann ziehen: Wenn Mara sich nach ihrer Ankunft in der Klinik in die wohl dunkelste Ecke ihres Schlafzimmers zurückzieht, wenn sie sich mit der Schreibtischlampe in der Hand verängstigt umsieht, dann hat dies eine Kraft, wie man sie selten im Fernsehen erlebt. Doch auch die 80-jährige Hannelore Hoger beweist, weshalb sie zu Recht als "eine der größten Schauspielerinnen" des Landes bezeichnet wird.
Es war - daran besteht kein Zweifel - somit eine goldrichtige Entscheidung der Produzentin Cornelia Wecker, die Hogers für diese Mutter-Tochter-Geschichte wieder vor der Kamera zu vereinen. Darüber hinaus setzte die 73-Jährige, die sieben Filme der legendären "Bella Block"-Reihe betreute, auf ein altbewährtes Team: Neben der einstigen Hauptdarstellerin Hannelore Hoger waren auch Regisseur Markus Imboden und Drehbuchautor Fabian Thaesler mit der ehemaligen ZDF-Krimireihe vertraut. Der einstige Music Supervisor Mario Lauer sorgte nun auch bei "Zurück ans Meer" für die passende musikalische Untermalung.

2021-10-04: Stuttgarter Zeitung

von Tilmann Gangloff:
Stuttgart - Die Seele kann ein Gefängnis sein, aus dem es kein Entrinnen gibt: Mara Breuer ist vor langer Zeit entführt worden. Körperlich hat sie das Verbrechen unbeschadet überstanden, aber ihre Psyche hat erhebliche Schäden davongetragen. Ein Teil von ihr ist immer noch in der Kiste gefangen, in die ihr Kidnapper sie damals gesteckt hat, der Entführer hingegen ist nach wie vor auf freiem Fuß. Gut zwanzig Jahre später glaubt Maras Mutter Charlotte, die damals mit dem Entführer telefoniert hat, auf der Straße seine Stimme wiederzuerkennen. Aber der Mann, den sie für den Peiniger ihrer Tochter hält, ist Mitglied einer der angesehensten und reichsten Familien Dänemarks.
Dieses Szenario ist die Basis für ein Drama, das nur vordergründig wie ein Krimi wirkt. Die fast schon obsessiven Versuche von Charlotte (Hannelore Hoger), den vermeintlichen Entführer dazu zu bringen, die Tat zu gestehen, bilden bloß die Karosserie des Films, sein Motor ist die Mission, Mara (Nina Hoger) endlich aus ihrem inneren Exil zu befreien.

Zwei, die sich gut kennen Das Drehbuch von Fabian Thaesler erzählt zwar in erster Linie von Charlottes Ausflügen nach Dänemark, wo sie Kjell Mortensen (Jens Albinus) nachstellt, doch die eigentliche Hauptfigur ist Mara.
Nina und Hannelore Hoger haben schon oft zusammengespielt, aber „Zurück ans Meer“ ist schauspielerisch eine ihrer besten gemeinsamen Arbeiten, zumal Ninas Rolle gerade wegen ihres geringeren Spielraums die deutlich größere Herausforderung ist.
Während Charlotte dem Bauunternehmer das Leben schwer macht, ist Mara, bildlich gesprochen, dazu verurteilt, in ihrer Zelle zu verharren. Nina Hoger versieht Mara mit einer Körpersprache, die keinen Zweifel am Zustand der Frau lässt. Die verkrümmte Haltung und die große Anspannung senden unmissverständliche Signale aus. Körper und Seele, erläutert ihre Therapeutin (Christina Große) dazu im Film, „halten sich gegenseitig gefangen“.
Als Mara nach und nach Zutrauen zu der Ärztin fasst – die Ärztin vergleicht diesen Prozess mit Auftauen –, entspannt sich nicht nur ihre Verkrampfung; nun verliert sie auch die anfängliche verhärmte Art. Ihre Panikattacken bleiben jedoch. Hoger lässt diese schwierigen Szenen sehr authentisch und entsprechend berührend wirken, so etwas kann auch leicht auch ins Gegenteil umschlagen.
Maras Metamorphose hat die renommierte Schauspielerin gemeinsam mit Markus Imboden ohnehin sehr eindrucksvoll entwickelt. Der Schweizer Regisseur war ebenfalls an diversen „Bella Block“-Episoden beteiligt und hat den Film gewohnt zurückhaltend inszeniert.

Es gibt auch heitere Momente Natürlich lebt der Fernsehfilm „Zurück ans Meer“ auch von der Frage, ob Mortensen tatsächlich der Täter ist. Charlotte allein hätte keine Chance, die Wahrheit rauszufinden, findet jedoch einen unerwarteten Verbündeten: Der eingesetzte Pflichtverteidiger Johansen hat eigentlich gar keine Lust, sich auf ihre Hirngespinste einzulassen, aber die Sturheit der Frau imponiert ihm.
Morten Sasse Suurballe sorgt für die wenigen heiteren Momente des Films, weil der Anwalt, der mehr und mehr zur Schlüsselfigur der Geschichte wird, von den beiden Frauen immer wieder in haarsträubende Situationen gebracht wird; die Figur könnte auch aus einer Erzählung von Ferdinand von Schirach stammen.

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