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Kritiken zum Film:

TATORT - Zeit der Frösche




2018-04-01: Welt

von Barbara Möller:
Muss ja nicht wirklich jeder ein „Tatort“-Kommissar sein
Was war falsch an Freiburg? Heike Makatsch ermittelt jetzt in Mainz. Sie ist quasi die ambulante „Tatort“-Kommissarin der ARD und muss jetzt den Mord an einer sechzehnjährigen Schülerin aufklären.
Was war verkehrt an Freiburg? Der Stadt mit einer fast 600 Jahre alten Universität? Heimstatt des SC Freiburg? Man weiß es nicht. Man sieht nur: Ellen Berlinger (Heike Makatsch) ist nach nur einem „Tatort“-Einsatz im März 2016 nach Mainz versetzt worden.
In Mainz sieht es in diesem Film aus wie überall. Grau und grottenlangweilig. Immerhin wird kein Rheinhessisch gesprochen.
Makatsch, mit Kleinkind, ohne Mann, schafft’s auch da nachmittags nicht pünktlich zur Kita, um ihre Greta abzuholen. Die Hetzerei zur Kita hat sich im deutschen Fernsehfilm ja mittlerweile zur Megametapher für den Stress der berufstätigen deutschen Frau entwickelt.
Und Berlinger ist so gewaltig im Stress, dass die kleine Greta irgendwie zum Dekor verkommt, was bestimmt nicht beabsichtigt war, weil es in Berlingers Mainz-Debüt um eine tote Sechzehnjährige geht, ein halbes Kind, und weil irgendwann ein Dreizehnjähriger in den Fokus der Ermittlung gerät, ein seltsames Kind, ein Mathegenie mit autistischen Zügen. Dazu ist dieser Jonas (Luis Kurecki) auch noch der Sohn von Berlingers Cousine. Was zu noch mehr und noch größerer Betroffenheit führt.
Als Zuschauer ahnt man leider schnell, wo der Hase hinläuft in diesem „Tatort“, dem der SWR den Titel „Zeit der Frösche“ gegeben hat (Regie: Markus Imboden, Drehbuch: Marco Wiersch). Berlingers Kollege Martin Rascher (Sebastian Blomberg) muss – angeblich traumatisiert von einer unaufgeklärten Mordserie, der in der Vergangenheit vier Kinder zum Opfer gefallen sind – irgendwann sagen, dass sich Frösche in eine Winterstarre fallen lassen; und dass er sich manchmal wünsche, es genauso machen zu können wie die Frösche.
Überhaupt ist das eine sehr seltsame Ermittlung: Als sich das Auffinden der Leiche und eine Lösegeldforderung überschneiden, informieren Berlinger und Rascher die Eltern des Mädchens nicht sofort. So etwas möchte man sich im wirklichen Leben nicht vorstellen, dass der Vater noch mit dem Lösegeld losgeschickt wird, während die Tochter schon in der Pathologie liegt.
Seltsam überhaupt, wie Berlinger mit diesem Mordfall umgeht. Irgendwie zu privat. Kollegen scheint es außer Rascher und dem Pathologen keine zu geben, auch das macht dem Zuschauer mulmige Gefühle.
Das Beste wäre, denkt er sich, wenn Berlinger Mainz schnell wieder verließe. Richtung Mannheim. Oder Karlsruhe, das Zuständigkeitsgebiet des Südwestrundfunks ist ja groß genug. Oder ganz auf Nimmerwiedersehen. Muss ja nicht jeder ein „Tatort“-Kommissar sein. Wirklich nicht.

2018-April: Filmstarts.de

von Lars-Christian Daniels:
Die älteren unter den Stammzuschauern werden sich noch erinnern: In den 70er Jahren schickte der damalige Südwestfunk in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz die erste „Tatort“-Kommissarin in der Geschichte der Krimireihe auf Täterfang, setzte sie aber schon nach drei TV-Einsätzen wieder ab. Oberkommissarin Marianne Buchmüller (Nicole Heesters) wurde von Hauptkommissarin Hanne Wiegand (Karin Anselm) beerbt, die in den 80er Jahren an verschiedenen Orten innerhalb des SWF-Sendegebiets ermittelte und vor allem mit dem tollen Mainzer „Tatort: Peggy hat Angst“ in Erinnerung blieb, der bis heute – auch dank Gaststar Hannelore Elsner in der Rolle der titelgebenden Peggy Karoly – zu den beliebtesten „Tatort“-Folgen zählt. Nun verschlägt es mit Ellen Berlinger (Heike Makatsch, „Das Pubertier – Der Film“) erneut eine Kommissarin in die Gutenberg-Stadt am Rhein, doch solche Lobeshymnen vom Publikum werden Markus Imbodens „Tatort: Zeit der Frösche“ wohl kaum zuteilwerden: Der zweite Fall mit der prominenten Hauptdarstellerin fällt zwar nicht ganz so enttäuschend aus wie ihr 2016 ausgestrahltes Freiburger Debüt, wird seinem ambitionierten PR-Label „Tatort-Special“ aber über weite Strecken nicht gerecht.
Ellen Berlinger (Heike Makatsch) hat sich nach Mainz versetzen lassen: Ihre Cousine Maja Ginori (Jule Böwe) und deren Mann Enzo (Jan Messutat) helfen der alleinerziehenden Hauptkommissarin bei der Betreuung ihrer Tochter Greta. Als in der Altkleidersammlung ein blutdurchtränkter Pullover gefunden wird, schwant Berlingers neuem Kollegen Martin Rascher (Sebastian Blomberg) Böses: Seit Jahren sucht er einen Serienmörder, der mehrere Teenager getötet hat. Auch die 16-jährige Marie Blixen (Aniya Wendel) wird vermisst: Am Abend vor ihrem Verschwinden war sie mit dem drei Jahre jüngeren Sohn von Berlingers Cousine, dem mathematisch begabten Jonas Ginori (Luis August Kurecki), auf einer Schulparty aneinandergeraten. Die Verhöre der Mitschüler bringen allerdings kaum Erkenntnisse, auch Max Linner (Paul Michael Stiehler), mit dem die gleichaltrige Marie geflirtet hatte, hält sich bedeckt. Kurz danach geht eine Lösegeldforderung bei den besorgten Eltern Olivia (Kathleen Morgeneyer) und Armin Blixen (Robert Schupp) ein, doch die Geldübergabe scheitert. Die Spurensicherung findet heraus, dass der blutige Pulli dem mittlerweile untergetauchten Jonas gehört – und Berlinger beginnt zu ahnen, dass der Sohn ihrer Cousine in den Fall verwickelt sein muss...
Wer sich an das erste „Tatort-Special“ mit Heike Makatsch nicht mehr erinnert oder die TV-Premiere im Frühjahr 2016 verpasst hat, muss sich nicht grämen: Zum einen war der enttäuschende Freiburger „Tatort: Fünf Minuten Himmel“ einer der schwächsten Sonntagskrimis des Jahres, zum anderen werden bei Berlingers zweitem Einsatz – dessen Realisierung lange in den Sternen stand und vom SWR erst spät bestätigt wurde – keine Vorkenntnisse vorausgesetzt. Dass die alleinerziehende Kommissarin nach dem Tod ihrer Mutter in ihrer Cousine Maja eine willkommene Babysitterin gefunden hat, wird im 1053. „Tatort“ ebenso ausführlich illustriert wie ihr loser Flirt mit dem geduldigen Kindergärtner Bassi Mahler (Lucas Prisor, „Elle“) – der muss ein ums andere Mal warten, bis Berlinger bei all dem Ermittlungsstress Zeit für ihn und ihre Tochter findet. Der Fall liegt damit ähnlich wie in den selten überzeugenden „Tatort“-Folgen aus Niedersachsen: Dort parkte LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ihren Sohn über Jahre bei ihrem treuen Mitbewohner Martin Felser (Ingo Naujoks) und fand auch nach dessen Abschied immer eine Möglichkeit, sich von den Verpflichtungen des Privatlebens loszueisen.
Während Lindholm viele eingefleischte Anhänger unter den „Tatort“-Fans hat, muss sich Berlinger ihr Publikum noch erarbeiten – und tut sich dabei unheimlich schwer. Denn Sympathiepunkte sammelt die pausenlos telefonierende Ermittlerin bei ihrem Einsatz in Mainz kaum: Mit der Betreuung ihrer Tochter wirkt sie überfordert und beim Verhör eines Junkies lässt sie sich sogar zu einer Kurzschlussreaktion hinreißen. Bei den Nebenfiguren hingegen dominieren ärgerliche Stereotypen: Mit dem schmierigen Italo-Gemüsehändler Sergio Cammareri (Roberto Guerra, „Pastewka“) gibt es einen Klischee-Mafiosi aus dem Bilderbuch, die junge Marie (Aniya Wendel spielte ein ähnliches Love Interest in Fatih Akins „Tschick“) ist der Prototyp der arroganten Teenager-Göre und ihre steinreichen Eltern wohnen natürlich in einer steril und seelenlos eingerichteten Villa, in der man wahrscheinlich vom Fußboden essen könnte. Auch Berlingers Kollege Martin Rascher entwickelt als Figur kaum Tiefe: „Wenn es kalt wird, legen sich Frösche still und warten, bis es Frühling wird. Manchmal wünschte ich, ich könnte das auch“, sinniert er gedankenverloren vor sich hin – ein Satz, der einfach im Raum stehen bleibt, dem Publikum aber zumindest den seltsamen Krimititel erklärt.
Mit dem hochbegabten Jonas Ginori liefern Drehbuchautor Marco Wiersch („Der Fall Barschel“) und Regisseur Markus Imboden („Der Verdingbub“) allerdings auch eine wirklich interessante Figur – zum Seelenleben des apathisch wirkenden Kindes („Vielleicht schottet er sich ab gegen den Wahnsinn da draußen“) dringen wir aber nie ganz durch, weil der Kleine pausenlos neunmalkluge Sätze mit möglichst vielen altersungerechten Formulierungen aufsagen muss und im Mittelteil des Films für lange Zeit von der Bildfläche verschwindet. Echte „Tatort“-Kenner wissen solche Signale zu deuten – werden von den Filmemachern aber immerhin gekonnt aufs Glatteis geführt. So hätte die durchaus überraschende Auflösung den ruhig und routiniert inszenierten Krimi trotz der erzählerischen Schwächen fast noch ins Mittelmaß gerettet – die Entstehungsgeschichte des Verbrechens geht in Zeiten von Smartphones und Internet allerdings an der Realität vorbei und wirkt wie eine künstlich dramatisierte „Eis am Stiel“-Variation. Echte Vorfreude auf ein mögliches drittes „Tatort-Special“ des SWR (das der Sender offiziell noch nicht plant) will da nur bedingt aufkommen.
Fazit: Der zweite „Tatort“ mit Heike Makatsch ist zwar leicht besser als der erste, unterm Strich aber erneut eine Enttäuschung.

2018-04-02: Augsburger Allgemeine

von Rupert Huber:
Die Ausgabe des Tatorts aus Mainz "Zeit der Frösche" mit Heike Makatsch ist gut gespielt und dramatisch wie lange nicht. Dennoch nervt einen manches.
Schon lange gab es keinen derart dramatischen und auch gut gespielten „Tatort“ zu sehen. Beeindruckend ist „Zeit der Frösche“ deshalb, weil der Krimi die Zerrissenheit und Nöte zweier Teenager thematisch raffiniert bündelt. Mittendrin findet zusätzlich die Identitätssuche zweier Erwachsener statt. Mit der beliebten Heike Makatsch als Hauptkommissarin Ellen Berlinger, die es in ihrem zweiten Fall von Freiburg nach Mainz verschlagen hat. Und dem psychisch angeknacksten Kollegen Martin Rascher (Sebastian Blomberg), der schon einmal die Aufklärung einer Mordserie verbockt hat.
So weit, so gut, aber auch so schlecht. Die von dem routinierten Regisseur Markus Imboden inszenierte Geschichte ist derart vollgestopft, dass sie für zwei „Tatort“-Folgen reichen könnte. Vor allem die Kinder können einem leidtun bei der als „Krimi-Event“ geplanten Ausgabe: Ellen Berlinger versucht ihr Leben als gebrochene Heldin in den Griff zu bekommen, ständig kämpft sie mit der Erziehung ihrer zweijährigen Tochter und ihrem merkwürdigen Flirt. So kann sie sich ein erotisches Abenteuer durchaus vorstellen, eine Beziehung aber gar nicht.

So richtig rund wird die Story nicht
Tiefer mag man eigentlich gar nicht einsteigen in die Trauma-Aufarbeitung, aus der der Zuschauer aber samt einem blutgetränkten Sweatshirt nicht herauskommt. Da verschwindet beispielsweise der 13-jährige Sohn von Ellens Cousine, das Mathe-Genie Jonas, den die Polizistin als eine Art Sohn-Ersatz sieht. So richtig rund wird die Story nicht mehr.
Eine geheimnisvolle Rolle spielt weiterhin die 16-jährige kokette Marie, die nach einer Schulparty spurlos verschwunden ist und in die sich Jonas verguckt hat. Als Mutter, die ihre Tochter regelmäßig bei der Cousine parkt, ist Hauptkommissarin Ellen Berlinger bestimmt kein Vorbild. Dennoch: Wer kann Heike Makatsch, eine unserer angesagten Schauspielerinnen, böse sein, wenn sie ausdrucksstark ihren Blick und die großen Augen fast wie Bette Davis ins Spiel bringt.

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